„Man bereitet eine Klage vor….“

….klingt so ähnlich, wie …..

http://www.rp-online.de/panorama/germanwings-familien-wollen-klagen-aid-1.6684829

wenn die ersten amerikanische Anwälte, die sich unmittelbar nach einer Katastrophe melden, veröffentlichen lassen: „Ich bereite eine Sammelklage vor...“; zumeist ergänzt um den Zusatz, dass diese Anwalt nach eigenen Angaben soundsoviel Mandanten vertritt. Bei Licht besehen hat er gar keinen und handelt es sich um eine reine Werbemaßnahme, um Mandanten zu akquirieren.

„Man bereite eine Klage vor….“, ist in den Meldungen dieser Tage eine relativ dünne Botschaft. In der letzten Woche waren doch die Familientreffen mit diesen Anwälten. Nichts hätte nähergelegen, als nach einem überzeugenden Auftritt vor den Familien vor die Medien zu treten und mitzuteilen: die Familien sind empört, und sie haben uns beauftragt, eine Klage einzureichen. Wenn das denn das Ergebnis der Familientreffen gewesen wäre…. war es wohl aber nicht.

Und worauf soll geklagt werden? Auf 30.000 € pro Angehörigen? Was ist dabei mit dem freien Verrechnungsvorschuss, den die Versicherer ganz zu Anfang gezahlt haben?

Und mit welcher Begründung? Hier die relevante Rechtsprechung:

BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 – VI ZR 8/14 –, juris

„Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats genügt jedoch nicht jede psychisch vermittelte Beeinträchtigung der körperlichen Befindlichkeit, um einen Schadensersatzanspruch eines dadurch nur "mittelbar" Geschädigten im Falle der Tötung oder schweren Verletzung eines Dritten auszulösen. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, aaO; vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11, BGHZ 193, 34 Rn. 8; vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854 und vom 27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, zVb). Deshalb können psychische Beeinträchtigungen naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, wie oben dargelegt nur dann als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind.“

BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 548/12 –, juris

„Danach begründen seelische Erschütterungen wie Trauer und seelischer Schmerz, denen Hinterbliebene beim (Unfall)Tod eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, auch dann nicht ohne Weiteres eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet werden und für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sind. Der Senat hat dies damit begründet, dass die Anerkennung solcher Beeinträchtigungen als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB der Absicht des Gesetzgebers widerspräche, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken und Beeinträchtigungen, die auf die Rechtsgutverletzung eines anderen bei Dritten zurückzuführen sind, soweit diese nicht selbst in ihren eigenen Schutzgütern betroffen sind, mit Ausnahme der §§ 844, 845 BGB ersatzlos zu lassen (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 164 ff.; vom 31. Januar 1984 - VI ZR 56/82, VersR 1984, 439; vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854). Psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, können vielmehr nur dann als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung vom tödlichen Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1976 - VI ZR 58/74, VersR 1976, 539, 540; vom 31. Januar 1984 - VI ZR 56/82, VersR 1984, 439; vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 6, 10; vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11, VersR 2012, 634 Rn. 8; ablehnend: Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 249 Rn. 46; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 148, 151; MünchKommBGB/Wagner, 6. Aufl., § 823 Rn. 144, jeweils mwN).“

Man mag dies nun bedauern oder auch im Kontext der anderen europäischen Jurisdiktionen für falsch halten (wie v. Jeinsen ZfS 2008, 61). Aber so ist nun einmal die Rechtslage in Deutschland, über die jeder seriöse Anwalt belehren sollte.

Weder können diese Anwälte auf Urteile verweisen, die ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 30.000 € und in vergleichbaren Fällen zugesprochen haben, weil es sie nicht gibt. Im Gesetz stehen keine Entschädigungsgrößen. Noch darf man auf die beabsichtigte Ergänzung von § 844 Abs. 3 BGB verweisen. Denn diese Bestimmung ist erstens noch nicht in Kraft, und zweitens wirken Gesetzesnovellen in den allerseltensten Fällen zurück. Die Neufassung wäre also auf die Katastrophe vom 24.03.2015 nicht anwendbar.

Zusammengefasst: wenn diese Anwälte Ihre Mandanten seriös beraten haben, dann können die Familien diese Anwälte im Regelfall nicht beauftragt haben, weil es nicht zu beauftragen gibt.

Wenn diese Anwälte dann „werbend“ für eine derartige außergerichtlichen Lösung darauf hinzuweisen, dass man auf weitere Schadensersatzansprüche verzichte, ist das auch reichlich flau. Denn es gibt diese weiteren Ansprüchen nicht, und deshalb kann auf nichts verzichtet werden: dem Grunde nach ganz einfach deshalb nicht, wenn nach der Montrealer Konvention Germanwings sowieso in vollem Umfang für den Schaden haftet. Allein aus diesem Grunde bleibt relativ wenig Raum für eine Anspruchsbegründung gegenüber der Flugschule: wenn es schon einen Beteiligten gibt, der uneingeschränkt und vollständig haftet, warum dann eine Klage gegenüber einem zweiten erheben? Das macht offenkundig keinen Sinn.

Hinzu kommt neben dem hinlänglich dargestellten prozessualen Problemen forum non conveniens noch ein Zweites. Selbst wenn amerikanische Gerichte den Fall Germanwings zur Entscheidung annehmen würden (wofür im Moment nichts spricht), würden sie der Höhe nach deutsches Schadensrecht anwenden. Und dann wären die Familien wieder da, wo sie ohne ein Verfahren in den USA ohnehin schon sind.

Was bleibt? Der relativ durchsichtige Versuch, nach Werbung mit Millionenforderungen in 2015 jetzt einigermaßen gesichtswahrend aus der Affäre herauszukommen, indem wenigstens 30.000 € versucht werden.

Dazu ist die Argumentationskette aber zu dünn. Das deutsche Recht gibt derartige Forderungen nicht her, und Drohpotential mit einem Prozess in den USA hat man auch nicht. Wieso soll sich, ganz nüchtern gefragt, die Lufthansa in einem Punkt bewegen, wo Germanwings der Luftfrachtführer ist und es nichts zu bewegen gibt? Mit dieser Aussage im Übrigen betroffene Familien vor die Medien treten zu lassen, ist zudem geschmacklos.

Es erscheint verständlich, dass die Anwälte der Fluggesellschaft und der Versicherung antworten, sie sähen keinen Handlungsbedarf. Der ist auf einer derartig durchsichtigen Argumentationskette in der Tat kaum erkennbar.

Wieder einmal sind die Familien zu bedauern. Nachdem sie 2015 mit Millionen Versprechungen eingeworben worden, wird Ihnen jetzt eine Resthoffnung gemacht, sich so einfach nicht zu erfüllen ist. Also werden sie instrumentalisiert, damit ihre Anwälte ihr Gesicht zu wahren versuchen.

Und wenn dann wirklich geklagt werden sollte. Dann ist zu hoffen, dass diese Anwälte in den letzten 1 ½ Jahren so viele Fakten und Material gesammelt haben, damit sie vor den Gerichten bestehen kann. Denn diese werden sich auf dasjenige berufen, was der BGH ausgeführt hat. Nach meiner Kenntnis ist nicht einmal diese Sammlung von Fakten hinreichend geschehen.

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